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Ernst Ludwig Kreer

Ernst Ludwig Kreer Neu  
Passbild, Ausweis "Verfolgter des Nationalsozialismus", 1949. StAF

Ernst Ludwig Kreer wurde am 19. November 1878 in St. Gallen geboren und starb am 31. März 1960 in Radolfzell. Er wuchs in einer Pflegefamilie in Essingen-Lauterburg auf, wo er die Volksschule besuchte und 1892 konfirmiert wurde. Nach seiner Ausbildung zum Schreiner arbeitete er als Geselle an verschiedenen Orten in Süddeutschland und in der Schweiz. Im Oktober 1915 wurde er zum Kriegsdienst eingezogen und kämpfte von 1916 bis Kriegsende an der Westfront. Nach dem Krieg machte er sich in Göggingen, Landkreis Stockach, als Schreiner selbstständig und zog 1925 nach Radolfzell, wo er seine Schreinerei im Hinterhaus der Allweilerstraße 31 betrieb. Dort war er Hausnachbar von Ernst Gnirß, der ab November 1938 in der Allweilerstr. 29 wohnte.

Der parteilose Ernst Ludwig Kreer wurde bereits 1934 wegen regimekritischer Äußerungen in einer Gastwirtschaft zu einer Geldstrafe verurteilt. Nach einer Denunziation wurde Kreer am 16.5.1940 durch die Gestapo in Radolfzell verhaftet. Seine Untersuchungshaft verbrachte er vom 3.6. bis 20.9.1940 im Konstanzer Gerichtsgefängnis. Angeklagt und verurteilt wurde er wegen „Rundfunkverbrechen“ und „gefährlicher Gegnerschaft gegen die Nationalsozialisten“. Zitat aus der Anklageschrift, Sondergericht Mannheim, 30. August 1940:

„In Radolfzell wird Kreer von jeher als ein Gegner des Nationalsozialismus eingeschätzt, der seine Einstellung bewusst zeige, indem er den Hitler-Gruß verweigere, sich durch Kritik hervortue und für das WHW (Winterhilfswerk) oder sonst. Sammlungen nie etwas gebe.“

Ebenfalls laut Anklageschrift hörte Ernst Ludwig Kreer in den Jahren 1939 und 1940 mit seinem Rundfunkgerät täglich ausländische Radiosender ab und besprach die gehörten Nachrichten mit mehreren Bekannten. Unter den von ihm abgehörten Sendern war auch der Schweizer Mittelwellensender Beromünster, der damals in weiten Teilen von Europa empfangen werden konnte und im Zweiten Weltkrieg eine wichtige, unabhängige Informationsquelle darstellte:

„Die Angeschuldigten (neben Kreer waren im selben Verfahren Karl Rösch und Wilhelm Steinwedel des 'Rundfunkverbrechens' angeklagt]) haben somit, teilweise gemeinschaftlich, fortgesetzt absichtlich ausländische Sender abgehört. Kreer hat außerdem fortgesetzt Nachrichten ausl. Sender, die geeignet sind, die Widerstandskraft des Dt. Volkes zu gefährden, vorsätzlich verbreitet.“

Das Sondergericht Mannheim verurteilte den 61-Jährigen am 20. September 1940 zu 2 Jahren und 8 Monaten Zuchthaus und 3 Jahren Ehrverlust. Kreer verbüßte seine Strafe unter Anrechnung der Untersuchungshaft bis zum 20. November 1942 im Zuchthaus Ludwigsburg.

Kreer Stolperstein 1  
Stolperstein für Ernst Ludwig Kreer, Allweilerstr. 31/1, Radolfzell, verlegt am 11. September 2015.

Ernst Ludwig Kreer überlebte, kehrte zurück und meldete sich direkt nach Kriegsende am 25. Mai 1945 in der Radolfzeller „Neuen Freien Stimme“ mit dem eindringlichen Artikel: "Wir haben doch gesiegt!" zu Wort. Zitat: „Nachdem die Alliierten (…) den Schleier gelüftet haben, erfasst uns ein Grauen vor all dem Tierischen, was durch den Nationalsozialismus im Menschen gezüchtet wurde.“ Kreer blieb ein kritischer Geist auch in den Anfangsjahren der Bundesrepublik. Im Zusammenhang seiner Anerkennung als Verfolgter des Nationalsozialismus und dem Wiedergutmachungsverfahren im Jahr 1952 protestierte er vehement gegen die Behörden, da diese selbst ehemalige NSDAP-Angehörige und Nutznießer des NS-Regimes als „Verfolgte des Nationalsozialismus“ anerkannt hätten.

Ernst Ludwig Kreer war verheiratet mit Maria Keller aus Radolfzell, geb. ?, gest. 24. Oktober 1974 in Radolfzell. Die Ehe blieb kinderlos.

Lebende Angehörige sind Anna Kreer, Radolfzell, Witwe von Adolf Kreer, des Neffen von Ernst Ludwig Kreer, und Heidi Rausch, Aach, deren Tochter.

Recherche: Markus Wolter

Patenschaft: Friedrich-Hecker-Gymnasium Radolfzell

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Quelle:

Wiedergutmachungsakte Ernst Ludwig Kreer, StAF F196/1-1157.

E.L. Kreer: „Wir brauchen nur an den Steißlinger Mord zu denken…“ - Jean Zimmermann (1918-1944)